Es gibt vielerlei Beispiele von Schifffahrtsunfällen, die in direktem Zusammenhang mit Müdigkeit stehen. Zu diesen gehören auch das Kentern der Herald of Free Enterprise im Jahre 1987, der 1989 auf Grund gelaufene Tanker Exxon Valdez und das 2010 im Great Barrier Reef auf Grund gelaufene Frachtschiff Shen Neng 1.
Übermüdung
Nautilus ist überzeugt davon, dass die Übermüdung von Seefahrenden einer der zentralen Punkte ist, welche die Gesundheit und Sicherheit in der Schifffahrtsindustrie bedroht.
Die Gewerkschaft weist unverändert auf die umfassenden Anhaltspunkte hin, dass Unfälle durch Müdigkeit verursacht werden, und setzt sich deshalb für wirksame Regelungen ein, um überlange Arbeitszeiten zu verhindern.
Die Schifffahrt ist eine Branche, die sieben Tage die Woche tätig ist, über alle Grenzen und Zeitzonen arbeitet und oftmals nach strikten Zeitplänen abläuft. Doch der zunehmend intensive Charakter des Schiffbetriebs hat zur Folge, dass die Seefahrenden häufig lange arbeiten müssen und unregelmässige Arbeitszeiten haben. Dies unter Gegebenheiten, die Lärm, Vibrationen, Hafennutzung und schlechtes Wetter einschliessen. Diese erschweren es, hinreichend Schlaf von hinreichender Qualität zu bekommen.
Seefahrende, die lange und unregelmässig arbeiten, sehen sich mit Gesundheitsproblemen konfrontiert, die in direktem Zusammenhang mit dem Schichtsystem stehen: Magen-Darm-Probleme wie Verdauungsbeschwerden, Unterleibsschmerzen, Verstopfung, chronische Gastritis und Magengeschwüre; sowie eine erhöhte Anfälligkeit für leichte Erkrankungen wie Erkältungen, Grippe und Magenbeschwerden.
Übermüdung wird auch mit einem breiten Spektrum an negativen Leistungsindikatoren assoziiert, welche die Wahrscheinlichkeit von Fehlern und Unfällen bei der Arbeit erhöhen können. Dies mit besonders deutlichen Auswirkungen auf sicherheitskritische Aufgaben, welche Wachsamkeit und Kontrolle, Entscheidungsfähigkeit, Aufmerksamkeit, schnelle Reaktionszeit, Rückverfolgbarkeit und Erinnerungsvermögen erfordern.
Nautilus gehört zu den elf Branchen- und akademischen Partnern des EU-finanzierten Horizon-Projekts, einer Forschungsinitiative, welche die Auswirkungen von Müdigkeit auf die kognitive Leistung von Seefahrenden untersucht hat.
Das Horizon-Projekt führte zur Erstellung eines Reports und eines Videos zum Forschungsgegenstand.
Ein weiteres Ergebnis des Horizon-Projekts war die Entwicklung eines Prototyps für ein Instrumentarium, mit dem die Übermüdung gemanagt werden soll – MARTHA. Das Toolkit verwendet wissenschaftlich überprüfte Daten, die aufzuzeigen sollen, welche Teile einer Reise oder welcher Zeitraum eines Wachdienstes unter dem Gesichtspunkt der Übermüdung als besonders kritisch gelten. Das Toolkit ermöglicht auch die rechtzeitige Planung von Massnahmen zur Risikobegrenzung.
Nautilus drängt auf eine breitgestreute Einführung dieser Technologie. Dies als Teil eines 'Programms zur Haltungsänderung' gegen Übermüdung, das auch bezüglich des Gefährdungspotenzials sensibilisieren soll, dem Seefahrende und Betreiber ausgesetzt sind.
Gemäss den Bestimmungen (zur sozialen Versorgung) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist es für Seefahrende zulässig, bis zu 91 Stunden pro Woche zu arbeiten. Laut den STCW-Änderungen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation von 2010 ist unter 'aussergewöhnlichen' Umständen sogar eine 98-stündige Arbeitswoche erlaubt – dies für maximal zwei Wochen. Nautilus vertritt die Auffassung, dass diese Bestimmungen absolut unstatthaft sind.
Die Gewerkschaft zeigt sich darüber beunruhigt, dass die Bestimmungen für die Mindeststandards für eine sichere Schiffsbesatzung ebenfalls unzureichend sind und die betrieblichen Wirklichkeiten sowie die Anforderungen an Bord von Schiffen nicht richtig widerspiegeln. Trotz deutlicher Reduzierung der Schiffsbesatzungen während den letzten Jahrzehnten, hat die Arbeitsbelastung für die Seefahrenden weiter zugenommen. Neue Verantwortlichkeiten wie etwa jene, die mit den internationalen Sicherheitsbestimmungen zusammenhängen, haben sogar zu zusätzlichen Aufgaben geführt.
Nautilus setzt sich für verbesserte Bestimmungen ein und – kurzfristig – auch für eine bessere Durchsetzung der bestehenden Bestimmungen. Die Gewerkschaft ist bemüht, Schutz für Kapitäne zu gewährleisten, welche die Ausfahrt eines Schiffes verzögern, um dadurch sicherzustellen, dass die Besatzung ordnungsgemäss ausgeruht ist. Nautilus hat auch darauf gedrängt, dass Seefahrende – nachdem sie ins Ausland geflogen sind, um auf einem Schiff anzuheuern – zuerst die notwendige Ruhezeit erhalten, bevor sie ihren Dienst antreten.
Nautilus wird weiterhin das Bewusstsein für die Gefahren schärfen, die aufgrund der Übermüdung von Seefahrenden entstehen. Die Gewerkschaft betreibt weltweit Lobbyarbeit bei Politikern und Aufsichtsbehörden, um die Ergebnisse des Horizon-Projekts bekanntzumachen und sich für verbesserte Rechtsvorschriften einzusetzen. Mitglieder können diese Arbeit unterstützen, indem sie ihre gewählten Repräsentanten kontaktieren.
Die Gewerkschaft setzt sich auch für die Einführung von Techniken zur Handhabung von Übermüdung durch die Schifffahrtsindustrie ein. Mitglieder können sich mit Besitzern, Betreibern, maritimen Regulierungsbehörden und Seefahrenden austauschen, um diese auf die Tatsache hinzuweisen, dass Müdigkeit wesentliche Leistungen stark beeinträchtigen kann. Die Angesprochenen sollten auch dazu motiviert werden, Leitlinien bereitzustellen, um die Auswirkungen von Müdigkeit abzufedern. Dies mit dem Ziel, Arbeitsbedingungen einzurichten, die so sicher und gesundheitsfördernd wie möglich sind.
Der Report zum Instrumentarium des Horizon-Projekts, mit dem Übermüdung gemanagt werden soll, enthält eine Reihe von Vorschlägen bezüglich bewährter Verfahren für die Branche.